Kalif Storch – Kapitel 5

Kalif Storch - Kapitel 5
Kalif Storch – Kapitel 5

In Besitz des Zauberwortes ist die Rettung nahe. Kalif Storch und sein Wesir brauchen sich nur in in Richtung Osten verneigen. Doch da ist noch das Versprechen, das der Kalif dem kleinen hässlichen Nachtkauz gab. Wird der Kalif sein Versprechen halten?

Als die Störche an ihrer Mauerlücke dieses hörten, waren sie vor Freude beinahe außer sich. Sie liefen auf ihren langen Füßen so schnell dem Thor der Ruine zu, dass die Eule kaum folgen konnte.

Dort sprach der Kalif gerührt zum kleinen Käuzchen: „Retterin meines Lebens und des Lebens meines Freundes, nimm zum ewigen Dank für das, was du an uns gethan, mich zum Gemahl an!“

Dann aber wandte er sich nach Osten. Dreimal bückten die Störche ihre langen Hälse der Sonne entgegen, die soeben hinter dem Gebirge heraufstieg; „Mutabor!“ riefen sie; im Nu waren sie verwandelt, und in der hohen Freude des neugeschenkten Lebens lagen Herr und Diener lachend und weinend einander in den Armen.

Wer beschreibt aber ihr Erstaunen, als sie sich umsahen? Eine schöne Frau, herrlich geschmückt, stand vor ihnen. Lächelnd gab sie dem Kalifen die Hand: „Erkennt Ihr euer Nachtkäuzchen nicht mehr?“ sagte sie. Sie war es; der Kalif war von ihrer Schönheit und Anmut so entzückt, dass er ausrief:

„Dies ist mein größtes Glück, dass ich ein Storch war.“

Die drei zogen nun miteinander auf Bagdad zu. Der Kalif fand in seinen Kleidern nicht nur die Dose mit Zauberpulver, sondern auch seinen Geldbeutel. Er kaufte daher im nächsten Dorfe, was zu ihrer Reise nötig war, und so kamen sie bald an die Tore von Bagdad.

Dort erregte die Ankunft des Kalifen großes Erstaunen. Man hatte ihn für tot ausgegeben, und das Volk war daher hocherfreut, seinen geliebten Kalifen wiederzuhaben.

Um so mehr aber entbrannte ihr Hass gegen den betügerischen Zauberer. Sie zogen in den Palast und nahmen den alten Zauberer und seinen Sohn gefangen. Den Alten schickte der Kalif in dasselbe Gemach der Ruine, das die Prinzessin als Kauz bewohnt hatte, und ließ ihn dort aufhängen.

Dem Sohn aber, welcher nichts von den Künsten des Vaters verstand, ließ der Kalif die Wahl, ob er sterben oder schnupfen und Storch werden wolle. Als er das letztere wählte, bot ihm der Großwesir die Dose. Eine tüchtige Prise, und das Zauberwort des Kalifen verwandelte ihn in einen Storch. Der Kalif ließ ihn in einen eisernen Käfig sperren und in seinem Garten aufstellen.

Lange und vergnügt lebte der Kalif mit seiner Frau, der Prinzessin. Seine vergnügtesten Stunden waren weiterhin die, wenn ihn der Großwesir nachmittags besuchte. Dann sprachen sie dann oft von ihrem Storchabenteuer. Wenn der Kalif recht heiter war, vergnügte er sich damit, den Großwesir nachzuahmen, wie er als Storch aussah.

Er stieg dann ernsthaft, mit steifen Füßen im Zimmer auf und ab, klapperte, wedelte mit den Armen wie mit Flügeln und zeigte, wie jener sich vergeblich nach Osten geneigt und Mu – Mu – dazu gerufen habe. Für die Frau Kalifin und ihre Kinder war diese Vorstellung eine große Freude.

Wenn aber der Kalif gar zu lange klapperte und nickte und Mu – Mu – schrie, dann drohte ihm lächelnd der Wesir: Er wolle das, was damals in der Ruine vor der Tür der Prinzessin verhandelt worden sei, der Frau Kalifin verraten.

Kalif Storch


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