Heine ist, sogar noch vor Goethe, der Dichter, den ich am besten kenne. Seine Gedicht von den Griechengöttern hatte es mir schon in der Schule – trotz Schule muss ich sagen – angetan. Von diesem Gedicht aus begann ich meine Spuren zu verfolgen. Sie führten mich immer wieder zu den Göttern der Menschen wie zu ihren Dichtern und Denkern.
Doch schrieb Heine nicht nur witzige und tiefsinnige, sarkastische und verbitterte Lyrik und Prosa, sondern auch wunderschöne Sonette. Welch Dichter geht an diesem Prüfstein seiner Dichtkunst schon vorbei.
Heinrich Heine 1797 – 1856
Für meine Mutter – Sonett 1
Ich bin’s gewohnt, den Kopf recht hoch zu tragen,
Mein Sinn ist auch ein bißchen starr und zähe;
Wenn selbst der König mir ins Antlitz sähe,
Ich würde nicht die Augen niederschlagen.
Doch, liebe Mutter, offen will ich’s sagen:
Wie mächtig auch mein stolzer Mut sich blähe,
In deiner selig süßen, trauten Nähe
Ergreift mich oft ein demutvolles Zagen.
Ist es dein Geist, der heimlich mich bezwinget,
Dein hoher Geist, der alles kühn durchdringet,
Und blitzend sich zum Himmelslichte schwinget?
Quält mich Erinnerung, daß ich verübet
So manche Tat, die dir das Herz betrübet?
Das schöne Herz, das mich so sehr geliebet?
-> Für meine Mutter – Sonett 2
Quellen
- Text: © Heinrich Heine, 1797-1856
- Bild: Isidor Popper – http://germa83.uni-trier.de/HHP/portraits/Popper1843_03.jpg, Gemeinfrei, Link